Saturday, November 5, 2011

Brief an Herrn Dr. Stefan Eichner


ich bin ein überzeugter Free Marketer und als solcher muss ich immer wieder daran erinnern, dass der freie Handel ja kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck ist bzw. sein sollte, nämlich: den Wohlstand aller involvierten Parteien mehr zu steigern als wenn jeder das für sich alleine tun würde. Globalisiertere Arbeitsteilung und optimale Ausschöpfung der jeweiligen Wettbewerbsvorteile wären wohl die wichtigsten Ingredienzen.

Der freie Handel schafft dieses noble Ziel aber nur, wenn er über Wirtschaftszyklen hinweg strukturell mehr oder weniger ausgeglichen bleibt. Wenn er das nicht schafft (und was Griechenland im Kleinformat ist, sind die USA im Großformat), dann müssen die Handelsdefizite über Dienstleistungen ausgeglichen werden können. Ich hatte zu DM-Zeiten immer spaßhaft gesagt: „Die Deutschen haben das angenehmste System der Welt. Sie schaffen sich über den Handel Überschüsse, die sie dem Rest der Welt als Touristen zurückgeben“. In diesem Sinne müssten die Griechen es schaffen, sich ihr Handelsdefizit über Fremdenverkehrserlöse wieder zurückzuholen (und Schifffahrt, etc.). Dann wäre alles komplett in Ordnung.

Ich denke an unseren Geschichtsprofessor im Gymnasium, von dem wir vor 5 Jahrzehnten zwar wenig über Geschichte, dafür aber viel über andere Weisheiten lernen konnten, so z. B. auch über die Ökonomie. Seine Darstellung über das Funktionieren der österreichischen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg: „Weil wir kein Öl haben und keine Autos bauen, müssen wir viel exportieren, damit wir uns Öl und Autos leisten können. Mit Exporten alleine schaffen wir das aber nicht, deswegen müssen wir schauen, dass wir möglichst viel Geld im Fremdenverkehr verdienen. Und weil auch das nicht reicht, muss der Staat seinen Haushalt in Ordnung halten, damit er Kredite bekommt und der Standort muss wettbewerbsfähig sein, damit Auslandsinvestitionen kommen“. Besser könnte das heute kein Ökonom formulieren.

Griechenland hat von 2001-10 insgesamt 247 Mrd. EUR im Ausland verdient (146 Mrd. EUR aus Exporten und 101 Mrd. EUR aus Dienstleistungen). Das sind rund 25 Mrd. EUR jährlich; kein Pappenstil für ein Volk von 11 Millionen. Hätte Griechenland in dieser Zeit „nur“ 247 Mrd. EUR importiert, gäbe es kein Problem. Stattdessen haben sie 446 Mrd. EUR importiert, d. h. 199 Mrd. EUR mehr.

Hätte die Hälfte der Griechen während dieser Zeit in Deutschland als Gastarbeiter die fantastische Summe von 199 Mrd. EUR gespart und nach Griechenland zurückgeschickt, gäbe es kein Problem. Hätten Griechen in dieser Zeit 199 Mrd. EUR ihrer Auslandsvermögen nach Griechenland zurückgeschickt, gäbe es kein Problem. Hätten ausländische Firmen in dieser Zeit 199 Mrd. EUR in Griechenland investiert, weil es dort so viele Investitionsmöglichkeiten gab, gäbe es heute kein Problem.

Der einzige Grund, weshalb es heute ein Problem gibt, ist, dass die Griechen dieses Loch mit Schulden gefüllt haben bzw. füllen mussten. Die Importe wurden zwischenzeitlich bezahlt und konsumiert; die Schulden sind noch da.

Was Importbeschränkungen betrifft: man muss ja nicht mit EU-Verträgen unter dem Arm durch’s Leben gehen und man muss ja nicht alles „Zoll“ nennen, was ein Zoll ist. Österreich würde doch niemals EU-Verträge verletzen und beispielsweise Zölle auf Autos erheben. Stattdessen hat Österreich nach dem EU-Beitritt eine Sonderabgabe für Emissionen auf alle Autos eingeführt (man würde doch nie gegen Ausländer diskriminieren). Seither werden meines Wissens auf jedes Auto 20% Sonderabgabe berechnet, nur dass halt Österreich keine eigenen Autos produziert… Und das ist EU-konform!

Und selbst wenn Griechenland in diesem Punkt EU-Verträge outright verletzen müsste; dann ist es halt so! Sie wären nicht die Ersten, die das tun (siehe Frankreich/Deutschland bei Maastrichtkriterien). Es ist ein Notstand und ein Notstand erfordert Notstandsgesetze; Punkt.

Ich vergleiche das mit einem jungen Mann, der von der Bank eine unlimitierte Kreditkarte hat und unbeschränkt damit einkauft. Die Bank will ihn zwingen, dass er mehr Geld verdient, um seine Kreditsalden abzudecken, aber sie will ihm auf keinen Fall die Karte sperren, weil ihr die Geschäfte gehören, wo er sein Geld ausgibt.

Es ist für mich lachhaft, wie EU-Eliten das Mantra nachbeten „Griechenland muss wettbewerbsfähig werden“ und dann kommt alles wieder ins Gleichgewicht. Das ist doch in etwa so, als würde Unterhaching einen schwächeren Spieler zum FC Bayern schicken und ihn ermahnen, dass er besser spielen muss, um nicht aus der Mannschaft zu fliegen.

Ich kann mir schon – auch ohne Ouzo – ein Wunderszenario vorstellen, wo Griechenland in 10-20 Jahren ein Wirtschaftstiger des östlichen Mittelmeerraumes sein könnte. Das Land hat ja einen riesigen Aufholbedarf; seine Verwaltung ist so archäisch, dass man enorm viel Effizienz hineinbringen kann; und das Land hat ja bis jetzt noch nicht einmal ansatzweise den Versuch gemacht, sein Potential zu erkennen bzw. auszuschöpfen. Das wäre allerdings ein Generationenprojekt, das langfristig geplant und angelegt werden muss. Da würde ich mir vorstellen, dass die EU hilft, denn da könnte sie wirklich helfen (in Wirklichkeit braucht Griechenland enorme Entwicklungshilfe im Sinne von Beratung und Know-how).

Wie gesagt: wenn man die freien Handelskräfte weiterhin walten lässt, statt den Weg in eine neue Wirtschaftsordnung zu „managen“, dann hat Griechenland keinerlei Chance. Solange man den Griechen Geld schickt, werden sie ihren Lebensstandard importieren können. Wenn kein Geld mehr fließt, dann ist auf der Stelle ein großer Teil dieses Lebensstandards weg. Und wenn es hier keine sinnvollen Gegenmaßnahmen gibt, dann es ist m. E. nur eine Frage der Zeit, bis Anarchie ausbricht.

Deswegen sehe ich als einzigen Ausweg, dass man in Griechenland die Leistungsströme dahingehend „managt“, dass mehr Leistung im eigenen Land erfolgt, damit weniger Leistung importiert werden muss (bzw. damit der Wegfall der importierten Leistung durch eigene Leistung weitgehend ersetzt werden kann). Dass dies gleichzeitig auch zu starken inländischen Wachstumsimpulsen führen würde, ist ein Nebenprodukt, aber es wäre in der jetzigen Krise ein fantastisches Nebenprodukt.

Und dann natürlich eine Transformation der Kapitalströme von Schulden hin zu Eigenkapital. Griechenland wird noch auf Jahre hinaus jedes Jahr 20 Mrd. EUR aufwärts an Geld aus dem Ausland brauchen (Leistungsbilanzdefizit). Dieses Geld muss zumindest zum Teil als Eigenkapital fließen und wir alle wissen, dass Eigenkapital nicht auf Befehl fließt. Dann müssen sich eben alle Gehirne Griechenlands und Europas überlegen, welche Incentives Eigenkapital fordert, damit es freiwillig nach Griechenland fließt (ich habe meine Vorschläge inverschiedenen Posts gemacht).

Und last but not least noch etwas, worüber sich die EU freuen wird: Kapitalkontrollen müssen eingeführt werden. Es kann doch nicht sein, dass Steuerzahlergeld nach Griechenland geschickt wird, damit vermögende Griechen ihr eigenes Geld in die Schweiz etc. überweisen können!

2 comments:

  1. Hallo Herr Kastner,

    ich habe Ihren freundlichen Brief in derselben Weise wie Sie beantwortet, das heißt als Post in meinem Blog:
    http://stefanleichnersblog.blogspot.com/2011/11/antwort-auf-den-brief-von-herrn-kastner.html

    Viele Grüße und ein schönes Wochenende
    SLE

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  2. stephan if you lived in south Africa in the late eighties and early nineties...please get in touch. Philippa@davises.co.za

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